Ein kritisches Kunstprojekt lenkt Augenmerk auf einen der wertvollsten Rohstoffe
Spiekeroog/ Frankfurt, 27. Juni 2016. „Sand ist Gold“ – mit dieser Aussage erregte der fingierte Konzern Trans Crystal aus Abu Dhabi in den letzten Wochen großes Aufsehen auf der autofreien Nordseeinsel Spiekeroog. Für den Zeitraum von Juni bis September 2016 kündigte das „weltweit operierende Unternehmen“ eine Prospektion zur Erschließung einer Sandlagerstätte im nordwestlichen Strandabschnitt der Insel an. Dazu gehörten unter anderem Baustellenschilder, Warntafeln, Absperrungen und eine flankierende Pressemitteilung – alles Teil des ambitionierten Kunstprojekts „Reizklima“ von Marcus Große, welches bis Anfang Juli 2016 auf Spiekeroog zu sehen ist.
Die Idee
Im Rahmen des Spiekerooger Kunststipendiums „Zeltplatz Residenz“ hat der 38-jährige Künstler aus Dresden 2015 eine Projektidee eingereicht, die durch ihren zweifachen Ansatz an das Verständnis des Themas „Reizklima“ im Prinzip zwei Projekte in einem vereinen sollte – Spiekeroopia! Er plante dabei die Nutzung des Aspekts des gesellschaftlichen Reizklimas in Kombination mit der klimatischen Bedeutung und kreierte etwas Neues, mit dem sich Insulaner und Gäste beschäftigten mussten und das beide Bedeutungen des Wortes Klima auffängt.
Das Projekt
„Ich hatte noch nie von Spiekeroog gehört und begann, mich mit der Insel zu beschäftigen. Dabei stieß ich auf produzierte Eigenbilder des Insel-Selbstverständnisses und auf Bilder der Fremdwahrnehmung von außen: Spiekeroog erschien mir als eine heile Welt, als ein Stück Paradies, dass die Einen besuchen und von dem andere leben. Eine Insel mit einer atemberaubend schönen Landschaft, die Sehnsüchte befriedigt und die zu großen Teilen aus Sand besteht. Ich hatte mein thematisches Scharnier gefunden und mir wurde klar, dass ich die Welt Spiekeroogs mit der Welt des Sand-Themas verbinden will“, sagte Marcus Große zu seinem Kunstprojekt.
Ein Teil des Projekts von Marcus Große war neben der Kreation von Trans Crystal und der Prospektion zum Sandabbau auch der „Re-Drift“ – eine Inselrückverlagerungsmaßnahme. Hierzu traf sich der Künstler am 12. Juni mit weiteren „Aktivisten“ vor dem Spiekerooger Rathaus, um mit ihnen gemeinsam bis zum östlichen Punkt der Insel zu laufen und eine tragbare Menge Sand an die Westküste zu bringen. Außerdem gehört die gemeinsame Suche mit Insulanern und Gästen nach dem Mittelpunkt der Nordseeinsel zu seinen aktuellen Projekten. Die vollständige Utopie Spiekeroopia finden Interessierte unter www.spiekeroopia.tumblr.com.
Die Reaktionen
„Auf der Insel sorgte das Vorhaben von Trans Crystal innerhalb kürzester Zeit für Aufregung und zum Teil auch für Unverständnis“, sagt Ruben Franz, Veranstaltungsleiter der Nordseebad Spiekeroog GmbH. „Marcus Große wurde an seiner fiktiven Strandbaustelle von zahlreichen Spaziergängern angesprochen und mit kritischen, fassungslosen aber auch interessierten Fragen konfrontiert. Andere Besucher hat das Projekt wiederum derart erregt, dass sie eigene Nachforschungen angestellt haben und sich letztendlich bei unserem Künstler für sein Umweltengagement bedankt haben. Genau dies ist das Ziel der Spiekerooger „Zeltplatz-Residenz“ – wir möchten durch derartige Projekte auf aktuelle Themen aufmerksam machen und das Augenmerk darauf lenken.“
Die Spiekerooger „Zeltplatz-Residenz“
Zum dritten Mal traf sich Ende Oktober 2015 das sechsköpfige Gremium auf der Nordseeinsel, um über die Vergabe des Kunststipendiums „Zeltplatz Residenz“ an einen aus knapp 100 Bewerbern abzustimmen. Die beiden Initiatoren des Kunststipendiums, Moritz Berg, ehemaliger Veranstaltungs- und Kulturbeauftragter Spiekeroogs und Hannes Helmke, Kölner Bildhauer und langjähriger Spiekeroog Freund wurden wie in den letzten zwei Jahren von der Spiekeroogerin Friederike Goedecke unterstützt. Max Santo beteiligte sich als Gewinner des Vorjahres. Der Kölner Stephan Baumkötter, Professor für Malerei an der Hochschule der Künste in Bremen, konnte darüber hinaus als Gremiumsmitglied gewonnen werden. Barbara Scholz-Böttcher, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Oldenburg, vervollständigte die Runde.
Für 2017 lobt die Nordseebad Spiekeroog GmbH und private Stifter loben zum vierten Mal gemeinsam das Kunststipendium aus. Die „Zeltplatz Residenz“ ermöglicht es dem Gewinner ein temporäres Kunstprojekt auf der Nordseeinsel umzusetzen. Als Residenz wird ein Zelt für einen Monat auf dem Spiekerooger Zeltplatz zur Verfügung gestellt daher auch der Name ‚Zeltplatz Residenz’. Gefördert werden Kunstprojekte im öffentlichen Raum.
Die Ausschreibung richtet sich an Installations-, Land Art-, Performance-, Foto- und Video-KünstlerInnen ohne Altersbeschränkung. Die erste Spiekerooger „Zeltplatz Residenz“ 2014 beschäftigte sich mit dem Thema “Wohnraum”, 2015 beschäftigte sich der Künstler mit dem Thema “Ich sehe was, was du nicht siehst und aktuell wird das Thema “Reizklima” behandelt. Im kommenden Jahr lautet das Thema “Willkommenskultur”. Einsendeschluss für die Bewerbungen ist der 1. Oktober 2016, Projektzeitraum ist Juni 2017. Weitere Informationen und Ausschreibungsunterlagen zur Spiekerooger „Zeltplatz Residenz“ finden Interessierte hier.
Für Inselinformationen und Unterkunftsanfragen: www.spiekeroog.de. Presseinformationen und Fotos in hoher Auflösung stehen im neuen Pressbereich der Homepage zum Download bereit: www.spiekeroog.de/presse