„Es gibt viele stumme Zeugen unserer Vergangenheit – sie verschwinden irgendwann.
Doch Erinnerungen bleiben lebendig, wenn man sie erzählt.“ Aus diesem Grund kam immer wieder der Gedanke auf, dass diese Geschichten festgehalten werden müssten – schon lange bevor es die Kulturstiftung und dieses Projekt gab. Wiederholt musste die Inselgemeinschaft leidvoll erleben, wie geliebte Menschen auf Spiekeroog sterben – und mit deren persönlichen Erlebnissen auch Stück für Stück die Inselgeschichten. Anfang 2019 hat sich die Kulturstiftung gemeinsam mit Patrick Kösters auf den Weg gemacht, die Idee für „Erzähl doch mal…“ umzusetzen und hat ältere Insulaner:innen zum Interview eingeladen. Unter dem Motto „Erzähl doch mal…“ teilten sie ihre Erinnerungen daran, wie sie im letzten Jahrhundert auf der Insel erwachsen wurden. So bleiben Kultur und Geschichte der Insel lebendig. Die Ausstellungseröffnung findet am 6. September 2021 statt.
Spiekeroog/Frankfurt, 6. September 2021. Das Dokumentarprojekt „Erzähl doch mal…“ soll Zeitgeschichte, Erinnerungen und Anekdoten der Menschen auf Spiekeroog bewahren. Hierfür teilten diejenigen, die in den 1920ern bis 1950ern geboren wurden, Geschichten aus ihrem Leben, ihre Errungenschaften und ihre Erfahrungen. Die insgesamt 23 Interviews mit Einheimischen wurden nach der Oral History Methode geführt. Die Interviewten tauchten tief in ihre Vergangenheit ein und berichteten emotional und detailliert aus längst vergangenen Zeiten des Insellebens. Festgehalten wurden ihre Ausführungen in Ton und Film.
Diese erzählten Erinnerungen wurden gesichtet, sortiert und archiviert. Zudem hat die Kulturstiftung Spiekeroog in Zusammenarbeit mit der Firma „Reunion Media“, als regionaler Profi für Dokumentarprojekte eine außergewöhnliche Ausstellung konzipiert. Im historischen Lesepavillon, unweit vom Strand in den Spiekerooger Dünen gelegen, sind die Interviews in Form von thematisch zusammengestellten Kurzfilmen erlebbar. Zu Themen wie Kindheit, Dorfleben, Inselversorgung oder großen Ereignissen wie Eiswinter, Sturmflut oder dem Zweiten Weltkrieg, können Besuchende mittels moderner Technik, analogen Ausstellungstafeln und Exponaten die Inselgeschichte entdecken und in längst vergessene Zeiten eintauchen. Ab dem 6. September 2021 wird die Ausstellung täglich die breite Inselöffentlichkeit begrüßen. Gruppenführungen und individuell begehbare Rundgänge durch das historische Inseldorf ergänzen das Angebot.
Für Patrick Kösters und Bernd Fliegenheim, Vorsitzenden der Kulturstiftung Spiekeroog, den Initiatoren des Projekts, war es ein Anliegen, die Geschichten der Insel und ihrer Persönlichkeiten zu bewahren, bevor es zu spät ist. Da die ältere Generation wohl die letzte ist, die nahezu ihr gesamtes Leben auf der Insel verbringt, hier aufgewachsen ist, lebt und arbeitet, ist es allen Beteiligten ein Anliegen, das Kulturgut der Insel zu erhalten. Für viele Erinnerungen reicht die ausschließlich mündliche Übertragung heute kaum noch aus, eben weil es immer wahrscheinlicher wird, dass sich die nachfolgenden Generationen von der Insel entfernen. Daher ist es besonders wichtig, diese Erinnerungen durch Archivierung aufzubewahren. Es geht in dieser Ausstellung unter anderem um das Dorfleben der stark zusammenhaltenden und sich vertrauenden Gemeinschaft, die dringend notwendig war, da man auf gegenseitige Hilfe angewiesen war. Dieser Zusammenhalt hat dazu geführt, dass sich viele Traditionen auf Spiekeroog etabliert haben.
Außerdem teilten die Befragten ihre Erlebnisse aus der Kindheit. Diese bedeutete auf der Nordseeinsel ganz besonders eines: Freiheit. Gerade im Sommer, während der touristischen Saison, gab es eigentlich nur eine Pflicht für Kinder: pünktlich zum Abendbrot zuhause zu sein.
Spiekeroog ist auf die Versorgung vom Festland angewiesen. Eine regelmäßige Anbindung war aber nicht immer gewährleistet und für importierte Waren mussten oft hohe Preise gezahlt werden. Dadurch war es wichtig, sich selbst versorgen zu können. Mit Regenwasser, das in Zisternen gesammelt und als Trinkwasser genutzt wurde, dem Anbau von Obst und Gemüse in Gemeinschaftsgärten und der Produktion von Milch, Butter und Fleisch von eigenen Tieren, wussten sich die Insulaner:innen zu helfen. Aufgrund des Platzmangels auf der nur 18 Quadratkilometer großen Insel, gab es nur eine einzige Weide, auf der die Tiere aller Familien gemeinsam grasten. Die Teilnehmenden des Projekts erzählten zudem über besonders prägende Ereignisse, wie die Sturmflut, den Zweiten Weltkrieg und den Eiswinter.
Auf historischen Bildern und Schautafeln sowie während eines interaktiven Dorfrundgangs können Besuchende der Ausstellung die Inselgeschichte aus erster Hand erleben. Zudem werden Filme über große Monitore gezeigt.
Die Kulturstiftung „möchte die älteren Insulaner:innen und Zeitzeug:innen durch Herstellung einer Öffentlichkeit für Inselgeschichte würdigen“ und eine generationenübergreifende Wertschätzung schaffen.
Auf eine große Ausstellungseröffnung wurde auf Grund der Covid-19 Pandemie verzichtet. Stattdessen präsentiert die Kulturstiftung einen kleinen Video-Gruß und Vorgeschmack auf die „Erzähl doch mal…“-Ausstellung. Dieser ist unter www.kulturstiftung-spiekeroog.de einzusehen.