Wertschätzung und Wertschöpfung: Herausforderungen und Chancen für nachhaltigen Tourismus jetzt und nach der Corona-Pandemie

Aktuell

Frankfurt am Main, 19. Juni 2020. Beim 4. GCE-Agentur-Café der Kommunikationsagentur Global Communication Experts diskutierten im Video-Gespräch Vertreter verschiedener Destinationen und Unternehmen über nachhaltigen Tourismus in der Zeit vor, während und nach der Corona-Pandemie.

Nachhaltiger Tourismus: Philosophie oder Geschäftsmodell? – Umdenken durch den krisenbedingten Stillstand – Tourismus ist Entwicklungshilfe und sichert Menschen- und Tierleben – Nachhaltigkeit bei Luxusreisen und im Massentourismus: Gemeinwohl-Bilanz muss stimmen

Fazit: Nachhaltiger Tourismus ist im Massen-, Luxus- und Individual-Tourismus angekommen, muss jedoch stärker an die Öffentlichkeit transportiert werden.

Die Nachfrage nach nachhaltigen Reisen von Seiten der Endverbraucher steige, trotzdem bleibe das Angebot vor allem bei großen Veranstaltern weiterhin gering, so das Fazit der Teilnehmer. Diese sollten klar kommunizieren, was sie in Sachen Nachhaltigkeit tun, um Greenwashing zu vermeiden. Die aktuelle Situation bedeute nicht nur eine Chance zum Umdenken, sondern mit Maßnahmen wie beispielsweise eingeschweißtem Besteck im Augenblick auch einen gewissen Rückschritt. Hier sollte ein aktives Handeln von Seiten der Regierungen stattfinden, um nach der Krise wieder zu den nachhaltigen Standards zurückzukehren, die schon vorher herrschten und erarbeitet wurden.

Nachhaltigkeit bildet ein Triangel aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem und schließt vom Reisenden bis hin zu den Menschen vor Ort alle ein. Destinationen wie Costa Rica und Teneriffa haben bereits umfangreiche Nachhaltigkeitskonzepte und -projekte und es fehle weder an dem Produkt noch an der Nachfrage. Eine aktivere und vor allem attraktivere Kommunikation nachhaltiger Themen in den Medien ist jedoch gefragt, um die Inhalte stärker in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die Aufzeichnung des 4. GCE-Agentur-Cafés https://youtu.be/TtOsAwxDNYc und die der vorherigen Agentur-Cafés finden Interessierte auf der Agentur-Webseite unter www.gce-agency.com oder auf dem YouTube-Kanal von GCE unter www.youtube.com/user/GCEAgency.

Unter der Moderation von Dorothea Hohn (Managing Partner, Global Communication Experts GmbH) stellten sich den Fragen

  • Dr. Harald Zeiss, Vorstandsvorsitzender Futouris
  • Hans Pfister, Präsident der Cayuga Collection, Costa Rica – Pionier und Hotelier für nachhaltigen Luxus-Tourismus
  • Barbara Bamberger, Teneriffa Tourismus, Verantwortliche deutschsprachiger Markt
  • Ingo Lies, Gründer von Chamäleon Reisen

Im Vordergrund der Diskussion standen die Herausforderungen, denen sich nachhaltiger Tourismus zu Zeiten der Krise stellen muss, aber auch neue Chancen, die die aktuelle Zeit ermöglicht und wie nachhaltiges Reisen in Zukunft stattfinden und kommuniziert werden muss.

Umdenken durch den krisenbedingten Stillstand

Nachhaltiger Tourismus ist ein Thema, dass die Branche bereits seit Jahrzehnten beschäftigt. Doch wie wirkt sich Dynamik der aktuellen Krisenzeit auf die Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit aus? Prof. Dr. Harald Zeiss, Vorstandsvorsitzender von Futouris, beobachtet aktuell zwei Strömungen. Zum einen liegt der Fokus zurzeit auf vielen anderen Themen, da Veranstalter und Unternehmen um ihr Überleben kämpfen. Zum anderen nutzen viele den erzwungenen Stillstand und sehen ihn als Signal, unsere aktuellen wirtschaftlichen Prozesse nochmal neu zu überdenken. Wie sich dieses Umdenken auf den Endverbraucher auswirkt, wird sich jedoch erst nach der Corona-Krise wirklich zeigen. Auf Teneriffa hat dieses Umdenken bereits vor vielen Jahren stattgefunden. Hier wird Nachhaltigkeit gelebt, weshalb sich die Insel sich nun auch von „Biosphere“ prüfen lassen wird. „Biosphere“ ist das einzige internationale Qualitätssiegel, das Destinationen in Bezug auf die 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und die Leitlinien des Pariser Klimagipfels hin testet. Einzelne Regionen und Hotels auf Teneriffa tragen dieses Siegel bereits, jetzt soll die ganze Insel ausgezeichnet werden. Barbara Bamberger von Turismo de Tenerife betont, dass diese Auszeichnung auch ein Versprechen für eine stetige Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeit bedeutet. Während Teneriffa das Thema bereits seit Jahren auch aktiv mit den Besuchern der Insel kommuniziert, sei nun die Zwangspause genutzt worden, um sich intern noch intensiver damit auseinanderzusetzen.

Tourismus ist Entwicklungshilfe und sichert Menschen- und Tierleben

Dass Nachhaltigkeit ein weitreichender Begriff ist betont Hans Pfister, der als Hotelier und Präsident der Cayuga Collection in Costa Rica diesen Begriff vor allem mit dem sozialen Aspekt in Verbindung sieht. Denn die Krise hat auch in Costa Rica viele Menschen ihre Jobs gekostet. Einheimische, die zum Beispiel als Guides gearbeitet haben, verfallen jetzt, wo keine Touristen mehr da sind, zurück in alte Tätigkeiten wie das Jagen oder Goldschürfen, um ihre Existenz zu sichern. Hans Pfister sieht darin eine große Gefahr für die Natur, weshalb nun versucht wird, die Hotels so schnell wie möglich – und sei es nur für den lokalen Tourismus – wiederzueröffnen, um den Menschen so ihr Einkommen zu sichern und die Natur zu bewahren. Generell sei der Fokus auf Lokales ausschlaggebend, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Dass die vorübergehende Lösung des Inlands-Tourismus für das von Hans Pfister angesprochene Problem jedoch nicht überall funktioniert, schildert Ingo Lies, Gründer von Chamäleon und YOLO Reisen, am Beispiel Namibia. Hier existiert durch die Armut der Einwohner kein lokaler Tourismus und man ist auf ausländische Touristen angewiesen, die gerade ausbleiben. Deshalb sei auch die finanzielle Unterstützung vieler sozialer Projekte momentan schwierig, da normalerweise 70 Prozent dessen, was die Gäste bezahlen, auch in dem Land ankommt, in das sie reisen. Umso wichtiger ist es, dass Reisende aus dem Ausland das jeweilige Land, das sie besuchen, unterstützen, indem sie sich im Reiseland bewegen, einkaufen, lokale Dinge probieren und sich mit Einheimischen austauschen, betont Prof. Dr. Harald Zeiss. Einen Wandel dahingehend, dass Tourismus nur noch im eigenen Land stattfindet, sieht er jedoch auch in Zukunft nicht, auch wenn das bedeutet, dass das „schlechte Gewissen im Flieger mitreist“. Genau deshalb sei „gut gemachter Tourismus“ so wichtig, wie Hans Pfister zustimmt. Und dieser schließe vor allem die Menschen vor Ort mit ein. Deshalb bedeute Nachhaltigkeit nicht nur Natur- und Klimaschutz, sondern gerade jetzt soziales Miteinander und ökonomische Sicherung des Lebens. Ingo Lies: „Tourismus ist die beste Entwicklungshilfe und sichert Menschen- und Tierleben.“

Barbara Bamberger sieht dabei eine Verantwortung bei den Hotels. Zum Beispiel sei das Einkaufen lokaler Produkte, um die Inselwirtschaft anzukurbeln, ein sehr wichtiger Faktor. Zu einem nachhaltigen Tourismus gehöre auch, die Menschen zu berücksichtigen, die genau davon leben und deren Kultur zu wahren. Gerade zeige uns die Corona-Krise, wie viel weltweit vom Tourismus abhängt.

Nachhaltigkeit bei Luxusreisen und im Massentourismus: Gemeinwohl-Bilanz muss stimmen

Auf die Frage, wie nachhaltiges Reisen und Luxusreisende zusammenpassen, erläutert Ingo Lies, dass durch das derzeitige Umdenken in Zukunft möglicherweise weniger und bewusster gereist wird und somit zum Beispiel Fernreisen seltener, aber dafür intensiver unternommen werden. Hierdurch können sich Gäste hochwertige Reisen leisten, aber eben nicht jedes Jahr. Viele seiner Kunden seien bereits vor der Krise so verfahren, wovon nicht nur der Reisende selbst sondern auch das jeweilige Land profitiere. Es müsse eine Art Wertschätzungskette entstehen, weshalb Ingo Lies und sein Unternehmen bei der Entstehung von insgesamt 30 Hotels geholfen haben, die nun ausschließlich Einheimischen gehören. Diese „Gemeinwohlbilanz“ müsse auch politisch gedacht und gefördert werden, weshalb Institutionen wie Tourismusministerien wichtig für die Entwicklung von nachhaltigem Tourismus seien.

Wahrer Luxus bestehe gerade in seinen Hotels darin, authentische, wertvolle Erfahrungen im Einklang mit Natur und Menschen zu machen und dabei ein hochwertiges Hotelprodukt zu erleben, ergänzt Hans Pfister. Das sei ein natürlicher und nachhaltiger Luxus und nicht vergleichbar mit 5-Sterne-Resorts-Luxus auf exotischen Inseln, wo abends der Lachs auf der Pool-Terrasse serviert wird und vorher 10.000 Flugkilometer zurückgelegt wurden.

Teneriffa, das in der Vergangenheit eher in der Vermarktung für die breite Öffentlichkeit stand, hat sich in den vergangen 10 Jahren stark gewandelt: Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil dieser Entwicklung. Das Tourist Board als öffentliches Unternehmen nimmt zum Beispiel bei Veranstaltungen nur Firmen unter Vertrag, die bestimmte Kriterien erfüllen und selbst lokale Unternehmen unterstützen. Es wird darauf geachtet, dass der CO2-Fußabdruck jeder Veranstaltung im Nachhinein wieder ausgeglichen wird. Ziel ist auch, auch den CO2-Fußabdruck der Touristen, die jährlich auf die Insel kommen, auszugleichen. Bereits vor 10 Jahren wurde das erste CO2-neutrale Dorf eröffnet, in dem auch Touristen übernachten können. Touristische Produkte werden laufend entwickelt, dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung eines Wanderwege-Netzes, Programme zum Schutz der Meerestiere unter Einbeziehung von Touristen und das Sternen-Beobachtungs-Programm verbunden mit dem Schutz vor Lichtverschmutzung: es dürfen beispielsweise keine Flugzeuge über den Teide fliegen.

Nachhaltiger Tourismus: Philosophie oder Geschäftsmodell?

Der Deutsche Hans Pfister, der seit 25 Jahren in Costa Rica lebt, sieht in nachhaltigem Tourismus weitaus mehr als nur ein Geschäftsmodell. Es brauche Leute, die daran glauben und vor allem das nötige Knowhow mitbringen, um das Modell auch umzusetzen. Greenwashing sei gerade bei großen Unternehmen weiterhin ein Problem. Aus diesem Grund sollten Destinationen mit dem Bewerben von Nachhaltigkeit vorsichtig sein. Die Verbindung von Philosophie und Geschäftsmodell ist die Lösung, bei der die Menschen hinter dem stehen müssen, was sie vertreten und bewerben. Transparenz in den Hotels gegenüber den Gästen sei hier besonders wichtig, erzählt Pfister, der gerne seine Gäste hinter die Kulissen blicken lässt. Somit findet oft eine gegenseitige Befruchtung statt, da sich Leute inspiriert fühlen, Veränderungen auch im eigenen Umfeld, zum Beispiel in der eigenen Firma, umzusetzen. Das funktioniere nicht nur im Luxus- sondern auch im niedrigpreisigen Individualtourismus. In Costa Rica gibt es zum Beispiel viele Angebot, bei „Ticos“ in deren „Casas rurales“ (einfache Landhäuser) zu wohnen. Dieser sehr nachhaltige Tourismus ist besonders für Reisende mit einem ganz kleinen Budget ideal geeignet, um Land und Leute kennenzulernen.

Auch Ingo Lies sieht die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit mittlerweile in den verschiedenen Segmenten und Altersgruppen als angekommen. Wichtig sei es, die vielen guten Initiativen, die es weltweit gibt, besser zu kommunizieren. Aus dem Blick der Endverbraucher entwickle sich der Tourismus in Sachen Nachhaltigkeit im Gegensatz zu anderen Branchen relativ wenig, da die großen Anbieter nachhaltiges Reisen kaum thematisieren. Vorgaben und sogar Nachhaltigkeitsgesetze von Seiten der Regierung sollten konkreter werden, so Ingo Lies. Genau jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür.

Prof. Dr. Harald Zeiss betont, dass auch Futouris um eine stetige Weiterentwicklung bemüht ist und froh über jede Anregung oder Projektanfrage. Alle Projekte gehen durch die Begutachtung eines Wissenschaftsbeirates, sodass sichergestellt werden kann, dass sie auch zu 100 Prozent nachhaltig sind.

 

Über global communication experts
global communication experts ist eine der führenden deutschen Repräsentanz-, Marketing- und Kommunikationsagenturen im Bereich Tourismus. Zu den Kunden der Frankfurter gehören unter anderen die Tourismus-Organisationen von Costa Rica, Indonesien, The Beaches of Fort Myers and Sanibel, Teneriffa, Ras Al Khaimah, die Autovermietung Avis Budget Group und Luxus-Hotels wie Atlantis The Palm, JW Marriott Maldives und die Schweizer Giardino Group.

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